
Auf nach Zagytopia!
Demokratie-Mammutprojekt „Schule im Staat“ ist vier Tage lang Ziel begeisterter Besucherscharen
Fast hätte das demokratische Königreich unter Königin Teodora I. mit einem heftigen Eklat geendet. Einige Parlamentarier der größten Partei, der Sozialen Wirtschaftspartei (SWP), sowie der Partei für Zukunft, Arbeit, Gemeinschaft (ZAG) und Fauler Frieden-Partei (FFP) haben versucht, Gesetze auszuhebeln. Doch die neue Justizministerin verkündet kurz vor der Sommerpause ein Parteienverbot. Die alten Gesetze sind wieder in Kraft, die Gewaltenteilung wiederhergestellt.
Von Mittwoch bis Samstag vergangener Woche ist das Zabergäu-Gymnasium zu Zagytopia mutiert. Ein florierendes Königreich mit Grenzschutz, Polizei, Pässen und eigener Zeitung. Ungeahnte Besucherströme flanieren über die Kugel-Plaza, durch die Bullen-Gasse oder durch die Gasse der Erleuchtung. Kleinkinder kann man zur Betreuung in die „Kleine Arche“ bringen. Manche heiraten kurz entschlossen auf dem Standesamt, viele genießen den Mittagstisch in der „Königlichen Hofschenke“. Andere belegen Tanz- oder Häkelkurs, lassen sich die Haare locken oder Glitzertattoos aufkleben, erstehen Setzlinge für den Garten, schlürfen Cocktails in Cafés, rocken zur Musik von Blanky & The Gang, machen Sport, besuchen das Theaterstück „Alice in Zagytopia“, kaufen Second Hand-Kleider und -Bücher – und bescheren dem Staat Rekordeinnahmen an Devisen dank günstigem Wechselkurs. Für einen Euro erhält man zehn fälschungssichere Bracken.
Königin Teodora I., stets mit Krönchen, empfängt mit Freude hohe Staatsgäste, die sie durch ihr Reich führt, darunter die gewählten Oberhäupter der Nachbarstaaten Brackenheim, Cleebronn, Nordheim und Pfaffenhofen. Selbst der SWR1 kommt vorbei und zeigt sich begeistert von dem geradezu modellhaften Staatsgebilde Zagytopia.
Schule als Staat, ein demokratisches Planspiel, mit großer Begeisterung, großem Engagement, viel Arbeit von Schülern, Lehrern und Eltern und vor allem auch mit viel Spaß, hat vier Tage lang die Schule in einen blühenden Staat verwandelt – dem weit über ein Jahr Vorbereitung vorausgeht bis zur feierlichen Ausrufung, stilvoll mit eigener Hymne.
In dem projektorientierten Unterricht, der so kurz vor den Sommerferien viele Kräfte mobilisiert und in dem Schüler zwar spielerisch, andererseits aber auch mit großem Ernst in ihren Rollen aufgehen, spüren sie vielleicht zum ersten Mal, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen, mit verdientem Geld zu wirtschaften und Kompromisse zu schließen, damit der Staat funktioniert.
Ein großes Plus: Schüler wie Lehrer können hier ihre Begabungen ausleben. „Jeder macht, was zu ihm passt“, sagt Schulleiter Michael Kugel, der in Zagytopia nicht nur sein Amt versieht, sondern in der rockigen Schüler-Lehrer-Band Gitarre spielt. „Es geht darum, Erfahrungsfelder zu schaffen. Schüler lernen praktisch etwas über Demokratie, über das Zusammenleben. Sie sind Bürger mit Rechten und Pflichten – und das nicht nur vier Tage lang.“
Bereits im Februar hat sich das Parlament in Wahlen etabliert, motiviert und ernsthaft Parteien mit richtigem Parteiprogramm gegründet. „Es entstand ein richtiger Wettbewerb zwischen den Parteien“, erzählt Gemeinschaftskundelehrer Markus Siebert. „Schüler entdeckten plötzlich politisches Interesse.“
Nachdem der erste Tag komplett durch die Einlagen der Schüler – 15 Euro pro Person – finanziert wird, wird in den folgenden Tagen Geld verdient und investiert. Am letzten Tag laden einige Schüler stolz ihre Eltern mit ihren erwirtschafteten Bracken zum Essen ein.
Und dann erklingt ein letztes Mal der Chor mit der Hymne. Das Parlament hält die letzte Sitzung. „Demokratie“, sagt die Justizministerin, „ist unser höchstes Gut, und es ist unsere Pflicht, sie zu verteidigen.“ elk